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Interview "Wir sind STIMULATE" mit Marcus Prier

Interviewter: Marcus Prier

Stelle: Forschungsgruppenleiter MR System Engineering

Interviewerin: Lea Nickel

Datum: 13.05.2022

 


Wir sind STIMULATE - Marcus Prier

 

Interview:

 

Hallo Marcus, es ist gerade kurz nach dem Mittag. Wie bist du heute in deinen Arbeitsalltag gestartet und was ist seitdem passiert??

Antwort: Am Morgen ging es für mich direkt ins Labor. Ich habe am OCRA Tabletop-MRT gebastelt, den Magneten umgebaut, Bilder gemacht und schon war es Mittag.

Welche Aufgaben hast du am Forschungscampus?

Antwort: Ich bin der Forschungsgruppenleiter der kleinen Forschungsgruppe MR System Engineering. Mein Hauptprojekt ist das neonatale (Baby und Kleinkind) MRT mit unserem Kooperationspartner Neoscan Solutions, da baue ich die Hochfrequenzelektronik. Wir sind gerade in der TÜV-Phase, wodurch auch viel Dokumentationsarbeit ansteht. Außerdem leite ich das FLEXtronic Maker Labor und kümmere mich zudem etwas um die Haustechnik im Speicher B. Ein weiteres Projekt ist das OCRA Tabletop-MRT. Mein Arbeitsalltag ist also sehr abwechslungsreich.

Was ist deine persönliche Motivation, im Bereich der Medizintechnik zu arbeiten?

Antwort: Ich bin Physiker, ich probiere gerne Sachen aus und möchte etwas zum Laufen bringen. Ich habe das Glück, an einem Einhorn-Projekt zuarbeiten. Oft werden MRT-Verfahren verbessert oder es wird eine neue Version entwickelt. Dass man, so wie ich, ein komplett neues MRT entwickelt und baut, ist wirklich besonders, aber auch anspruchsvoll. Gerade das bereitet mir große Freude. So lerne ich wie jede MRT-Komponente funktioniert, ob im Kleinen über das Tabletop-MRT oder im Großen mit dem neonatalen MRT. Wenn man dann am Ende noch gute MRT-Bilder bekommt, ist das umso beeindruckender.

Wie bist du als Physiker zur Medizintechnik und vor allem zu STIMULATE gekommen?

Antwort: Ich habe in Magdeburg Physik studiert, hier ist vor allem die Halbleiterphysik renommiert. Das war nicht so spannend für mich, denn ich möchte am Ende des Tages etwas Gebautes in der Hand haben und nicht nur eine Datenlinie auf dem Computer sehen. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Elektriker absolviert und hatte vor, zurück zur Elektronik zu gehen. Ich bin dann auf die Medizintechnik und die Arbeitsgruppe von Professor Speck zur MRT-Entwicklung gestoßen und seitdem bei STIMULATE geblieben.

Hat dir deine Berufsausbildung im Studium geholfen?

Antwort: Definitiv, durch meine Ausbildung bin ich in der Lage, das theoretische Wissen aus dem Studium in die Praxis umzusetzen.

Du gibst außerdem noch den Kurs Magnetic Resonance System Engineering. Was ist für dich das Besondere daran, mit Studierenden zu arbeiten?

Antwort: Immer, wenn es darum geht, Wissen zu vermitteln, bin ich mit dem Herzen dabei. MRT ist ein hochkomplexes und spannendes Thema und wir alle am Forschungscampus haben darin viel Know-how. Das weiterzugeben und damit weitere kluge Köpfe anzulocken, lohnt sich. Dann kommt hinzu, dass die Lehre an echten MRTs etwas sehr Seltenes ist. Wir sind eine von wenigen Universitäten, die so etwas anbieten. Ich weiß, dass das MIT und die Stanford University noch Tabletop-MRTs benutzen. Studierende können Software und Hardware für unser Mini-MRT entwickeln und bauen. Näher an “MR System Engineering“ geht es also nicht. Das motiviert auch die Studierenden, ihr theoretisches Wissen anwenden zu können.

Im Rahmen deiner Arbeit hast du auch eine internationale Kooperation mit Harvard aufgebaut, wie kam es dazu?

Antwort: Durch die Bekanntschaft von Professor Oliver Speck und Dr. Stefan Röll von Neoscan Solutions zu PhD Larry Wald wurde ich damals für ein halbes Jahr an das Martinos Center, das zur Harvard Medical School gehört, geschickt. Es ging um die Entwicklung des ersten Radiofrequenz Volumen-Spulen-Prototypen für das neonatale MRT unter der langjährigen Erfahrung von Larry Wald. Dort hatte ich dann auch das originale Tabletop und das OCRA-Projekt von Dr. Thomas Witzel kennengelernt. Ich wollte damals auch ein Tabletop-MRT in Magdeburg, aber es nicht nur kopieren. Ich habe mir die Frage gestellt, wie man es noch verbessern und ausbauen könnte. Das hat am Martinos Center etwas Aufmerksamkeit erregt und ich habe das Angebot bekommen, weiter mit Thomas Witzel zusammenzuarbeiten. Thomas Witzel, der vor 25 Jahren Computervisualistik in Magdeburg studiert hat und dementsprechend auch eine Affinität für die Stadt Magdeburg hat, hat dann eine Kooperation initiiert. Im Rahmen dieser konnten wir bisher zwei Studierende an das Martinos Center schicken, die dort geholfen haben, das Tabletop-MRT zu entwickeln. Leider ist der Studierendenaustausch durch die Pandemie unterbrochen worden, wir haben aber das Ziel, diesen wiederaufzubauen.

Beeindruckend, dass sich diese Möglichkeit durch deine engagierte Arbeit ergeben hat.

Antwort: Ich konnte aus meiner Zeit am Martinos Center viel mitnehmen, zum Beispiel in Bezug auf die Ausstattung eines Elektroniklabors. Mittlerweile haben wir unser FLEXtronic Labor hier am Forschungscampus sehr gut ausgebaut. Dank großzügiger finanzieller Unterstützung durch Europäische Fonds oder BMBF-Projektmittel haben wir tolle Maschinen, Geräte und Möglichkeiten und übertreffen in mancher Hinsicht sogar die Labore des Martinos Center. Uns fehlen natürlich noch die 40 Jahre Erfahrung, aber wir sind auf einem sehr guten Weg. Ich hatte vor zwei Wochen auf der größten MRT-Messe der Welt, der ISMRM in London, einen Vortrag mit dem Titel „How to build your own open source MRI“ gehalten und das OCRA Tabletop-MRT vorgestellt. Mit vollem Saal und Online-Stream. Mittlerweile können wir in der Kategorie echt etwas vorzeigen und das ist, auch für mich persönlich, eine tolle Entwicklung. Wenn MRT-Entwicklung manchmal frustrierend ist, muss man sich motivieren weiterzumachen, am Ende zahlt sich das meist auch aus.

Wie schön, dass es einen Raum für diesen gegenseitigen Support gibt. Hast du zum Ende noch einen weiteren Tipp für zukünftige Forscher:innen?

Antwort: Es ist von Vorteil, frühzeitig im Studium herauszufinden, was einem Spaß macht und wo die eigenen Interessen liegen. In einem Feld zu arbeiten, das einem Freude bereitet, ist der größte Antrieb. Wichtig ist, selbst nach Gelegenheiten zu suchen, praktisch tätig zu werden, wie zum Beispiel hier bei STIMULATE.

Danke Marcus, für den Einblick und deine Zeit.


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