by Carolin Winkelmann, Thomas Neumann, Jan Zeidler, Anne Prenzler, Bodo Vogt, Frank K. Wacker
Abstract:
Hintergrund: Health-Technology-Assessments (HTA) sind eine interdisziplinär anzuwendende Methode zur Unterstützung nachhaltiger, evidenzbasierter Entscheidungen im Gesundheitswesen. Sie untersuchen in einem systematischen Prozess medizinische Produkte, Verfahren und Technologien unter medizinischen, ökonomischen, juristischen, sozialen und ethischen Aspekten hinsichtlich ihres Einsatzes in der medizinischen Versorgung. Methode: In dieser Übersichtsarbeit wird die aktuelle Verbreitung von HTA in der Radiologie in Deutschland betrachtet. Es werden Anreizstrukturen für die Durchführung von HTA diskutiert und die sich daraus ableitenden Herausforderungen für die Akteure im Gesundheitswesen im stationären und ambulanten Sektor erörtert. Dies erfolgt vor dem Hintergrund des zwischen den Sektoren bestehenden Unterschieds im Entscheidungsprozess darüber, welche Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Es wird insbesondere betrachtet, welche Auswirkungen sich aus dem Verbotsvorbehalt (stationär) bzw. Erlaubnisvorbehalt (ambulant) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bezüglich der Erstattung neuer Diagnose- und Behandlungsmethoden ergeben. Ergebnisse: Aus den Befugnissen des G-BA ergibt sich hinsichtlich der Anreize zur Durchführung und Finanzierung systematischer Nachweise von Effektivität und Effizienz medizinischer Leistungen implizit ein Paradox: Im ambulanten Sektor sind derartige Nachweise ein notwendiges Instrument, während im stationären Sektor keine ausreichenden Anreize für die Akteure bestehen, in die Durchführung solcher Bewertungen der gleichen Leistung zu investieren. Schlussfolgerung: Es zeigt sich, dass der Bewertungsgegenstand gravierende Unterschiede innerhalb des HTA begründet. Bewertungsprozesse, die zur Überprüfung der Effektivität von Arzneimitteln etabliert sind, können nicht einfach auf radiologische Verfahren übertragen werden. Bei der Bewertung einzelner radiologischer Verfahren muss extrem differenziert, z. B. nach Tumorstadien, vorgegangen werden. Trotz dieser Herausforderungen sollte eine systematische Übersicht und kritische Bewertung verfügbarer Evidenz sowohl zur medizinischen Wirksamkeit als auch der Kosteneffizienz ein elementarer Baustein in der evidenzbasierten Radiologie (EbR) sein. Da Unternehmen im Gesundheitswesen die EbR nicht vorantreiben, sind öffentliche Fördermittelgeber gefordert, Studien zur Innovations- und Nutzenbewertung von bildgebenden radiologischen Verfahren zu unterstützen. Kernaussagen: - HTAs sollten ein grundlegender Bestandteil der evidenzbasierten Radiologie sein. - Befugnisse des G-BA begründen ein implizites Paradox hinsichtlich der Anreize zur Durchführung und Finanzierung von HTAs. - Universitätsmedizin und öffentliche Fördermittelgebern sind gefordert Studien zu unterstützen, die den Nutzen radiologischer Verfahren bewerten.
Reference:
Health-Technology-Assessments in der Radiologie in Deutschland: Fehlende Nachfrage, fehlendes Angebot (Carolin Winkelmann, Thomas Neumann, Jan Zeidler, Anne Prenzler, Bodo Vogt, Frank K. Wacker), In Fortschr Röntgenstr, volume 191, 2019.
Bibtex Entry:
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	title = {Health-{Technology}-{Assessments} in der {Radiologie} in {Deutschland}: {Fehlende} {Nachfrage}, fehlendes {Angebot}},
	volume = {191},
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	doi = {10.1055/a-0838-6253},
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	number = {07},
	journal = {Fortschr Röntgenstr},
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	pages = {635--642}
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